Geschichte des Instituts
Jahrhundertelang wurde die Zoologie als Teil der Naturkunde von Professoren der medizinischen Fakultät betreut. Der erste hauptamtliche Zoologe an der Freiburger Universität,
August Weismann (1834-1914), wechselte 1867 von der medizinischen zur philosophischen Fakultät ein Beleg für die zunehmende Eigenständigkeit des Faches Zoologie.
Weismann, der fast ein halbes Jahrhundert hindurch lehrte, war einer der bekanntesten Biologen seiner Zeit. Noch heute erwähnen viele Lehrbücher seine Gedanken. Diese beeinflußten in grundlegender Weise drei wichtige, gegen Ende des vorigen Jahrhunderts auflebende Disziplinen: Evolutionsbiologie, Genetik und Entwicklungsbiologie. Dank Weismanns Verhandlungsgeschick und wegen seines wissenschaftlichen Ranges erhielt die Freiburger Zoologie 1886 ein eigenes Institutsgebäude im damaligen Botanischen Garten, dem heutigen Institutsviertel. Dieses Gebäude mußte alsbald mehrfach erweitert werden, vor allem um Raum für die zahlreichen Hörer von Weismanns weithin berühmten Vorlesungen zu schaffen.
Weismanns Nachfolger wurde Franz Doflein (1873-1924). Seine Freiburger Amtsjahre (1912-1918) haben im Institut und in der Biologie keine bleibenden Spuren hinterlassen, nicht zuletzt wohl wegen der Kriegszeiten.
Mit Hans Spemann (1869-1941) übernahm 1919 wieder ein weltbekannter Zoologe den Lehrstuhl. Seine Experimente an Molchembryonen, vor allem die Zwillingsbildung in eingeschnürten Eiern, hatten ihm früh Anerkennung verschafft. In Freiburg entdeckte er 1921 zusammen mit seiner Doktorandin Hilde Mangold den "Organisatoreffekt". Dieser überführt den Zellhaufen, der aus der Eizelle hervorgeht, in die Grundstruktur des zukünftigen Körpers. Diese Entdeckung, 1935 mit dem Nobelpreis gewürdigt, war in jüngster Zeit der Ausgangspunkt für einen neuen Zweig der molekularen Entwicklungsbiologie der Wirbeltiere.
Spemanns Tradition wurde ab 1937 durch Otto Mangold fortgeführt. Er mußte die Universität 1945 verlassen und widmete sich danach dem Aufbau eines Forschungsinstituts in Heiligenberg am Bodensee.
Otto Koehler (1889-1974), 1945 auf den Lehrstuhl berufen, machte das Freiburger Institut erneut zum Zentrum einer jungen Forschungsrichtung, nämlich der naturwissenschaftlichen Verhaltensforschung (Ethologie). Das Institutsgebäude, seit 1944 ein Trümmerhaufen, erstand 1949/50 unter seiner ebenso klugen wie zähen Verhandlungsführung neu. Auf dem alten Kellergeschoß zunächst eingeschossig angelegt, wurde es bereits 1956 auf zwei Stockwerke erweitert. In 15 Freiburger Amtsjahren führte Koehler nicht nur zahlreiche Schüler, sondern auch die international bedeutendste Zeitschrift seines Faches zum Erfolg - und dies unter Verhältnissen, wie sie heute kaum noch vorstellbar sind.
Bernhard Hassenstein (geb. 1922) wurde 1960 Otto Koehlers Nachfolger. Damals begannen die Auf- und Umbruchsjahre der deutschen Universitäten, die nicht nur eine Verbesserung des Personalstandes und der Ausstattung der Institute brachten, sondern auch den weit stärkeren Anstieg der Studentenzahlen samt all seinen Problemen. Hassenstein veranlaßte den Bau des runden Zoologie-Hörsaals (heute der Mathematik zugeordnet) und konnte die Einrichtung von zwei weiteren Zoologie-Lehrstühlen erreichen. Sie wurden 1964 und 1966 besetzt, mit Klaus Sander (geb. 1929) und Günter Osche (geb. 1926). In diesem Triumvirat, das den zoologischen Grundunterricht gemeinsam gestaltete, vertrat Hassenstein bis zu seiner Emeritierung (1984) die Verhaltensbiologie jener des Menschen (vor allem im Kindesalter), sowie die neu aufkommende Biokybernetik. Osche war bis 1988 für Evolutionsbiologie und Ökologie zuständig, Sander bis 1994 für Entwicklungsbiologie und Geschichte der Biologie sowie -auf einer anderen Ebene für die Linderung der katastrophalen Raumnot durch Einwerben diverser Dependancen (1966 im benachbarten Chemiegebäude, 1968 im neuen Biologiegebäude in der Schänzlestraße und 1969 im Rechenzentrum, wo ein zweiter Kurssaal entstand).
Die drei Freiburger Zoologie-Lehrstühle und ihre Mitarbeiter haben über Jahrzehnte hinweg wesentlich zur Entwicklung ihrer Forschungsgebiete in Deutschland und auch darüber hinaus beigetragen. Im Vergleich zu anderen Fakultäten galt die von Hassenstein inspirierte Zusammenarbeit der Freiburger Biologen als einzigartig. Sie verhinderte den Zerfall der akademischen Lehre in abgeschotteten Spezialveranstaltungen, so daß die breite Ausbildung vor allem der zukünftigen Gymnasiallehrer erhalten blieb. Ehemalige Doktoranden und Assistenten des Zoologischen Instituts finden sich auf vielen deutschen und ausländischen Lehrstühlen oder sind Leiter angesehener Forschungsinstitute.
Klaus Vogt (geb. 1945), Klaus Peschke (geb. 1950) und Wolfgang Driever (geb. 1960) vertreten als Nachfolger von Hassenstein, Osche und Sander die heutige Generation der Lehrstuhlinhaber am Freiburger Zoologischen Institut. Ihre Arbeitsrichtungen sind mit denen der Vorgänger verwandt, wenn auch die heute unabdingbare Spezialisierung weniger Raum für die Allgemeine Zoologie läßt.
Klaus Vogt erwirkte in seinen Berufungsverhandlungen 1985 die Zusage für ein neues Institutsgebäude. Sachgerecht geplant und modern ausgestattet, führt es nunmehr die zoologischen Arbeitsgruppen wieder unter einem Dach zusammen -als solide Grundlage wie als gutes Omen für das Gedeihen der Freiburger Zoologie auch im zweiten Jahrhundert ihres Bestehens.
Prof. Dr. Klaus Sander (1997)
Zoologisches Institut